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Texte zu Menschen und Märkten

21.12.2005
SIGNUM 1

Geschichten und Botschaften

Was - nüchtern betrachtet - an der Weihnachtsgeschichte zuerst auffällt, ist ihre Schlichtheit. Die Geburt Jesu, Gottes Sohn und Messias, ist kein "Event". Zwar werden die himmlischen Heerscharen mobilisiert; die geben aber ihr Lied nicht Zielgruppen-fokussiert und schon gar nicht Reichweiten-bewusst im Zentrum vom Jerusalem zum Besten, sondern auf einer abgelegenen Schafweide. Zwar wird ein Stern mit Schweif in Bewegung gesetzt; der steht aber offenbar so diskret am Himmel, dass nur gerade drei besonders aufmerksame Gelehrte davon überhaupt Kenntnis nehmen.

Und die Hauptpersonen Maria und Josef schweigen.

Nach modernen kommunikationsstrategischen Gesichtspunkten beurteilt ist das Ganze kommunikativ eher unergiebig: Werbung, Public Relations und Event-Management schaffen es gerade mal, - neben einem Ochsen und einem Esel - eine Hand voll Hirten und die drei Weisen für das Geschehen zu interessieren. Sicher: Angesichts der Drohung von König Herodes, alle Neugeborenen im Land umbringen zu lassen, wäre publikumswirksames Getöse natürlich zu risikoreich gewesen.

Dennoch: Die Geschichte rund um den Stall von Bethlehem hat weltweit einen Bekanntheitsgrad von gegen 100 Prozent erreicht. Ebenso ihre Botschaft - obwohl diese in der Erzählung nicht wirklich genannt oder erläutert wird.

Dennoch? Wohl eher gerade deswegen. Die Weihnachtsgeschichte folgt streng den Gesetzen erfolgreichen Erzählens. Ihre Botschaft entsteht im Kopf des Lesers. In der Geschichte selber ist die Botschaft lediglich eine Lücke, die der Zuhörer und Leser mit seinen Gedanken schliesst. Eine gute Geschichte funktioniert also so: Sie umkreist die zentrale Botschaft ohne sie zu nennen. Sie hinterlässt den Kern ihrer Aussage als Lücke, die den Lesern und Leserinnen keine Ruhe lässt.

Wirkungsvolle Kommunikation in Werbung und Public Relations hat den Charakter einer guten Geschichte: Sie unterhält die Zuhörenden und die Erzählenden, sie umgarnt das Thema und die Menschen. Schliesslich bringt sie das Publikum dazu, die zentrale Botschaft selber zu formulieren - und die Geschichte weiter zu erzählen.

Die Hirten und die drei Gelehrten haben damit schliesslich fast die ganze Welt erreicht.

Erzählen ist Magie: Wer die Botschaft nennt, nimmt ihr die Wirkung.

Ich wünsche ihnen ein geschichtenreiches neues Jahr.