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Texte zu Menschen und Märkten

21.6.2006
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Einkehren

Feiern ist keine einfache Sache: Einerseits will man locker bleiben, andererseits muss organisiert werden. Das gelingt nur, wenn man feiern will. Das gilt auch für Firmenjubiläen. Wer glaubt, feiern zu müssen, um Kunden, Mitarbeitenden oder Behörden etwas zu beweisen, wird scheitern.

Jubiläen oder zumindest der Rhythmus ihrer Wiederkehr ergeben sich einzig aus der zufälligen Ordnung unseres Dezimalsystems, nicht aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit. Also geht es darum, die Gunst der Stunde zu nutzen und ein Fest zu feiern, weil es eben fällt. Und locker zu bleiben.

Demgegenüber predigen Berater landauf, landab, dass gedankenloses Feiern nicht Sache des weitsichtigen Unternehmers ist: Das Jubiläum sei die Stunde der Standortbestimmung, der Zukunftsplanung, wenn nicht gar der Vision.

Was nun? Dienen Jubiläen dem lauten Feiern oder dem stillen Nachdenken?

Demokrit, der griechische Philosoph der Glückseligkeit, weiss weiter: "Ein Leben ohne Feste ist wie ein langer Weg ohne Einkehr." Einkehren allerdings, kann man nach deutschem Sprachgebrauch in der stillen Kirche wie in der lauten Kneipe.

Besonders geeignet sind Raststätten, die beides anbieten, wenn auch sorgsam getrennt: Kapelle mit Schenke. Denn ein Jubiläum als Markierung einer Wegstrecke ist beides: Ein Zeichen für eine erfolgreich zurückgelegte Distanz - dies gilt es zu feiern - und ein Zeichen für den Beginn eines neuen Marsches in die Zukunft - darüber muss man nachdenken.

Der Zeitgeist sorgt gegenwärtig dafür, dass die Kapellen die Schenken verdrängen: Die strengen Hohepriester unternehmerischer Effizienz haben naturgemäss wenig Sinn für ausschweifende Festivitäten, die absichtlich nicht im Dienste der Unternehmensentwicklung stehen.

Nur: Ein erfolgreiches Unternehmen ist immer auch eine Gemeinschaft von Menschen, die in ihren Sternstunden ein Fest feiern und Geschichten aus alten Zeiten erzählen will - und plötzlich dringt das Fest durch alle Ritzen in den heiligen Raum der Kapelle.

Zum Jubiläum gehören festliche und nachdenkliche Anlässe, und die Verantwortlichen müssen dafür sorgen, dass die festlichen Anlässe festlich bleiben und dass an den nachdenklichen Anlässen nachgedacht wird. So gesehen können Personalfeten auf nachdenkliche Reden der Chefs und Mitarbeiter-Workshops auf fröhliche Intermezzi ohne Erfolgsabstriche verzichten.