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Texte zu Menschen und Märkten

24.12.2007
SIGNUM 5

Zwischen Engeln und Schurken

Seit einiger Zeit vermitteln die Medien den Eindruck, als sei die Welt der Unternehmen ausschliesslich von Schurken und Engeln bevölkert: Waffenschieber, Drogenhändler und Abzocker auf der einen, eifrige Bekenner sozialer und humanitärer Tugenden auf der anderen Seite.

Weihnachten wäre ein Grund, sich in den Chor der Engel einzureihen und das Loblied der höheren Moral anzustimmen, zur Erbauung der Frommen wie auch zur Ermahnung der Sünder. Nur scheint uns, dass die schlichte Handlung der Weihnachtsgeschichte einen bescheideneren Umgang mit der Botschaft des Christfestes empfiehlt.

Und so wollen wir uns in diesen Zeilen weder mit den praktizierenden Schurken noch mit den Theoretikern der Moral in unserer Wirtschaft befassen. Viel lieber widmen wir uns jener erdrückenden, wenn auch schweigenden Mehrheit von Unternehmern, Managern, Angestellten und Arbeitern zu, denen es auch im Berufsleben gelingt, den ganz normalen Anstand zu wahren, gleichgültig, ob's ein bisschen was kostet oder ein bisschen was einbringt.

In der Weihnachtsgeschichte tritt ein Vertreter dieser wenig beachteten Mehrheit auf und - kein Wunder - wird von Evangelisten, Theologen und Autoren von Krippenspielen gleichermassen vernachlässigt. Es handelt sich um jenen Wirt, der in der düsteren Dezembernacht vor 2007 Jahren zu Bethlehem einem jungen Mann und dessen hochschwangeren Begleiterin seinen Stall überliess. Eine unbedeutende Geste. Doch gilt es, deren Umstände zu beachten: Der Mann stand unter erheblichem Druck. Buchstäblich ganz Bethlehem war auf den Beinen, da sich in jenen Tagen jeder Bürger zur Steuereinschätzung in seinem Heimatort einzufinden hatte. Seine Herberge war voll von ungeduldigen Gästen, womöglich hatte er Personalprobleme und überdies galt auch ihm die Drohung des Fiskus. In dieser auch aus aktueller Sicht typischen Stressituation eines Geschäftsmannes stellte er dem jungen Paar seinen Stall zur Verfügung - möglicherweise missmutig, aber ohne zu fragen, ob er damit die Weihen der humanitären Gesinnung erlangen, ob es ihn ein bisschen was kosten, oder ob es ihm ein bisschen was einbringen würde. Er beschränkte sich darauf, den Anstand nicht zu verlieren.

Und doch nimmt der Wirt von Bethlehem im Ablauf des Weihnachtsgeschehens eine bedeutende Rolle ein; man kann getrost von einer "Schlüsselposition" sprechen. Denn was wäre aus dem Baby, was aus den kostbaren Geschenken der morgenländischen Weisen und aus den Huldigungen der Hirten geworden, hätte Maria draussen, in der eisigen Finsternis jener orientalischen Nacht niederkommen müssen?

So nehmen wir Weihnachten zum Anlass, dankbar zur Kenntnis zu nehmen, dass wir es auch im Geschäftsjahr 2007 selten mit Engeln und noch seltener mit Schurken, sondern stets mit Vertretern jenes ganz normalen Anstandes zu tun hatten, von dem man nie spricht, der aber dafür sorgt, dass auch das Geschäftsleben zu einem lebenswerten Teil der Existenz wird.

Dafür danken wir Ihnen, wünschen Ihnen frohe Festtage und ein anständiges Neues Jahr.