SIGNUM -
Texte zu Menschen und Märkten

24.12.2008
SIGNUM 6

Erfolgsgeschichten

Das Geschehen rund um die internationalen Finanzmärkte, das Versiegen der Kreditströme, das Verschwinden sämtlicher New Yorker Investmentbanken, der demütigende Bittgang mächtiger Banken zum Staat und den Steuerzahlern, schliesslich die offenbar verbreiteten Burnouts unter den Bankmanagern und die wirtschaftlichen Folgeschäden sind Elemente einer klassischen Erfolgsgeschichte.

Klassische Erfolgsgeschichten enden böse. Sie sind erstmals durch die griechische Tragödien vor rund 2500 Jahren auf die Bühne gebracht worden. Der Vorhang fällt nicht mit dem Höhepunkt des Erfolgs ihrer Bühnenfiguren. Vielmehr lassen Tragödienschreiber ihre Helden oft noch inmitten triumphaler Feiern dem Hochmut verfallen und anschliessend stürzen. Tief stürzen. Das Vergnügen des Publikums an solchen Darbietungen besteht darin, von wechselnden Gefühlen mitgerissen zu werden: Bewunderung, Begeisterung, Empörung, Schadenfreude, Bestürzung.

Dieses abseits der Theaterbühnen zweifelhafte Vergnügen hatten wir in den letzten Monaten auch. Der dramatisch ergiebigste Augenblick, war jener, als die Gesichter jener "Master of the Universe" aus satter Selbstsicherheit innert Tagen den Ausdruck jammernden Selbstmitleids annahmen.

Tragödien sind Lehrstücke und unterrichten die geneigte Zuhörerschaft über den richtigen Umgang mit Erfolg, welcher - so die Lehre - der Verarbeitung von Misserfolgen nicht unähnlich ist: In der Niederlage hilft es, über deren Ursachen nachzudenken, daraus für die Zukunft zu lernen und die Schuld auf viele Schultern und unglückliche Umstände zu verteilen. Und im Moment des Sieges verwandeln sich Hochmut und blinde Selbstüberschätzung dann in angemessene Freude, wenn eingehende Analysen zwischen den Feiern zeigen, dass die Gunst glücklicher Rahmenbedingungen nicht ewig hält und der künftige Erfolg mit neuen Anstrengungen gesichert werden muss.

Die Weihnachtsgeschichte hilft weiter: Maria hatte in der kühlen Winternacht von Bethlehem nach verbreiteter überzeugung in der Tat eine Art "Master of the Universe" zur Welt gebracht und sie war wohl in jenem Augenblick die wichtigste Mutter der Welt, als Ihr die Hirten und die Könige aus dem Morgenland huldigten. Maria triumphierte nicht, sie schwieg, und gemäss ihrem Chronisten Lukas behielt sie alle diese Worte "und erwog sie in ihrem Herzen".

Wir wünschen Ihnen frohe, geruhsame Festtage und ein Neues Jahr voller Erfolge. Und die Gabe, diese angemessen zu feiern.